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Visuomotorik – Hand-Auge Koordination Grundlagen

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Was ist Visuomotorik?

Visuomotorik nennt man die Koordination zwischen der Wahrnehmung der Augen und der Bewegung. Sie wird als Teil der Sensomotorik verstanden und nennt sich umgangssprachlich „Auge-Hand“ bzw. „Hand-Auge Koordination“.

Wie die Hand-Auge Koordination abläuft kannst du am besten durch ein Schaubild nachvollziehen. Aus diesem Grund habe ich versucht es so einfach wie möglich darzustellen ohne dabei zu viele Details zu verlieren.

Visuomotorik Hand Auge Koordination Prinzip

 

Frühkindliche Entwicklung


Da gerade in der frühkindlichen Entwicklung die Visuomotorik ihre größten und entscheidendsten Schritte vollzieht darf sie hier nicht ungenannt bleiben. Dieser Bereich gehört allerdings nicht zur Sportwissenschaft, weswegen hier an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen wird. An vielen Stellen wird immer wieder auf Jean Piaget als Pionier der kognitiven Entwicklungspsychologie verwiesen. Damit möchte ich es in diesem Abschnitt auch belassen.

Kleinhirn: Das Ingenieurbüro der Visuomotorik

Das Kleinhirn mit seinen Teilen Vestibulocerebellum, Spinocerebellum und Pontocerebellum kann man als Planungszentrale für automatisierte Bewegungsabläufe bezeichnen. Alle 3 Bereiche des Kleinhirns nehmen dabei eine besondere Rolle ein.

Im Vestibulocerebellum werden die Informationen des Gleichgewichtsorgans verarbeitet und zur Steuerung der Motorik des Halte und Stützapparates genutzt.

Gehirnareale für Visuomotorik Schema

Schematische Darstellung menschliches Gehirn [4]

In einem Teil des Spinocerebellum wird die Zielmotorik und Bewegungsdurchführung „geplant“. Dies ist von entscheidender Bedeutung, dass Bewegungen auch so ausgeführt, wie sie gedacht sind. Dabei werden die Informationen, die dieser Teil des Kleinhirns aus dem Rückenmark bekommt (Stellung von Muskeln und Gelenken) verarbeitet und abgeglichen. Die extrem schnelle „Regelung“ ermöglicht eine ständige Anpassung zwischen „Soll-“ und „Ist-Werten“. Eine herausragende Stellung nimmt dabei die Regelung bzw. Abstimmung der Muskulatur für Mimik und Sprechen ein.

Der Prontocerebellum (auch Cerebrocerebellum) werden neue Bewegungen geplant. Dieser ist mit dem Großhirn verbunden und kann auf abgespeicherte Erfahrungen zurückgreifen. Die neuen Bewegungsentwürfe bzw. die Planung einer neuen Bewegung werden danach in weiteren Kleinhirnregionen abgestimmt. Mit der Steuerung der Muskeln hat dieser Teil des Kleinhirns allerdings wenig zu tun sondern das Ergebnis der Planung geht mit anderen Informationen zum motorischen Cortex.

Insgesamt kann man sagen, dass das Kleinhirn die Schlüsselrolle für das sogenannte „prozedurale Gedächtnis“ einnimmt. Das bedeutet auch, dass sämtliche automatisierte Bewegungsabläufe in diesem gespeichert werden und damit ohne Nachdenken abgerufen werden können. Stellt euch mal vor, du müsstest noch nachdenken, wenn du zum Topspin ansetzt die Schlaghand nach hinten unten zu führen.

Der motorische Cortex – Schaltzentrale für Bewegungen

In diesem Teil des Großhirns werden die Steuerungsbefehle für Muskeln ausgelöst. Neueste Forschungen*pdf haben ergeben dass es weniger die Befehle für einzelne Muskeln sind sondern eher komplexere Bewegungsmuster bei denen mehrere Muskelgruppen angesteuert werden. Dabei werden allerdings schon in Erwartung einer Bewegung erhöhte Aktivitäten festgestellt sodass ein Bewegungsmuster schneller „abgespult“ werden kann. Natürlich ist auch dieser Teil der Steuerung keine „Einbahnstraße“ sondern eine Regelung die permanent mit sensorischen Daten über Muskeln und Gelenken versorgt wird. So kann der motorische Cortex live Korrekturen vornehmen.
Es gibt allerdings nicht 2 Menschen wo der motorische Cortex gleich beschaffen ist. Der Teil des Gehirns ist so flexibel und verändert sich das ganze Leben, sodass die Forschung heute noch vor vielen Rätseln steht die es zu lösen gilt.
Für das Erlernen von Tischtennis ist es also nie zu spät. Unser Gehirn wird immer in der Lage sein komplexe motorische Abfolgen neu zu entwickeln und zu verbessern.

Visuomotorik in der Sportwissenschaft

Durch die hohe Komplexität von Bewegungsabläufen ist in der Sportwissenschaft eine genaue Beschreibung von Ursache und Wirkung schwierig. Aus diesem Grund ist die Einbeziehung der Grundlagenforschung  in die Sportwissenschaft von Nöten.[1]
Nichtsdestotrotz muss sich die Sportwissenschaft immer wieder mit den komplexen Bewegungsabläufen beschäftigen deren Grundlage in den meisten Fällen in der Hand Auge Koordination liegt. Aus diesem Grund will ich im folgenden auf verschiedene Grundbegriffe eingehen.

Grundbegriffe

Visuomotorische Transformation

Bei Menschen ohne Seheinschränkungen erfolgen zielgerichtete Bewegungen i.d.R. visuell. Damit man eine zielgerichtete Bewegung ausführen kann müssen Informationen von den Augen in „Zielkoordinaten“ umgewandelt werden – dies ist die visuomotorische Transformation. [2]

Visuomotorische Diskordanz

Beschreibt das Missverhältnis zwischen beabsichtigter und wahrgenommener Bewegung. Wird diese Diskordanz wiederholt festgestellt kommt es zur Anpassung (visuomotorische Adaption) des abgespeicherten Bewegungsmodells.
Ein einfaches Beispiel, was jeder schnell ausprobieren kann: Verstelle die Geschwindigkeit des Mauszeigers am PC. Man ist in den ersten Sekunden noch irritiert doch stellt sich das Gehirn extrem schnell auf die Änderung ein und man kann gewohnt weiter arbeiten. Speziell im Tischtennis tritt eine Visuomotorische Diskordanz bei Schläger. bzw. Belagwechseln auf.

Visuomotorische Adaption

Diese fällt unter den Oberbegriff der sensomotorischen Adaption Welch³ bezeichnete diese als „semipermantente Veränderung der Wahrnehmung … welche dazu dient die wahrgenommene Diskrepanz zwischen … Modalitäten zu reduzieren oder zu elimieren.“ Ein schwerer Satz der die Sache allerdings auf den Punkt bringt. Permanente Anpassungen des Bewegungsmodells damit die visuomotorische Diskrepanz eliminiert bzw. minimiert wird. Vielleicht könnte man es auch einfach Rekalibrierung des Bewegungsmodells bezeichnen. Wenn man bedenkt wie schnell sich das Gehirn auf geänderte Bedingungen einstellen kann ist es nur allzu verständlich, dass es dazu noch weiterer kognitiver Fähigkeiten bedarf (z.B. Mechanismen zur Fehlerreduzierung) auf die hier nicht näher eingegangen wird.

Störung der Visuomotorik

Es gibt verschiedene Möglichkeiten bei der die Hand Auge Koordination gestört bzw. vermindert leistungsfähig ist. Treten durch einen Schlaganfall Schädigungen im Kleinhirn auf kann die Koordination von Bewegungen deutlich eingeschränkt werden bzw. gänzlich verloren gehen. Dabei ist es eindeutig, dass nicht die Motorik behindert ist sondern das Verarbeiten der visuellen und sensorischen Reize. Ein Schlaganfall im motorischen Cortex dagegen würde zu direkten Lähmungserscheinungen führen.

Eine andere Beeinträchtigung kann durch Alkohol geschehen. Nachgewiesenermaßen beeinträchtigt Alkohol in erster Linie das Kleinhirn – Gleichgewichtsstörungen sind die Folge. Auch kleinere Mengen Alkohol verlangsamen die „Regelfähigkeit“ des Kleinhirns. Gerade in einer der schnellsten Reaktionssportarten Tischtennis kann dies nur verheerende Auswirkungen auf dein Spiel haben. Also Finger weg vom Bier vorm Spiel! Zum Feiern bleibt danach noch genug Zeit!

Aktuelle Forschungsergebnisse zur Hand Auge Koordination:

Bessere Hand Auge Koordination geht einher mit kognitiven und sozialen Fähigkeiten (Artikel in Englisch)

 

Referenzen

[1] Bewegungssteuerung – Bewegungskoordination. H. Mechling & J. Munzert, Handbuch Bewegungswissenschaft – Bewegungslehre.

[2]  Coordinate  transformations  for  eye  and  arm  movements  in  the brain. Current Opinion in Neurobiology, 10(6), 747ff

[3] Welch,  R.  B.,  Choe,  C.  S.,  &  Heinrich,  D.  R., Evidence  for  a  three-component model  of  prism  adaptation. Journal  of  Experimental  Psychology,  103(4),  700ff

[4] Original: Cancer Research UK / Wikimedia Commons, Beschriftungen übersetzt

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